Open Innovation: Schule trifft Unternehmertum

Entrepreneurship-Training für Berufskollegiat:innen

Lena Mohr

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Im Rahmen des EU-geförderten Projekts DA-SPACE gründete die Digitale Agenda Anfang 2018 das Open Innovation Lab Ulm. In den Räumen des Maker-Space “Das Verschwörhaus” können lokale Unternehmen mit Bürger:innen an zukunftsweisenden Geschäftsideen arbeiten.

Die Challenge: Im ersten Schritt war es das Ziel, einen Überblick über Innovationstechniken zur Lösung von Problemstellungen und zur Entwicklung von neuen Ideen zu geben. Darüber hinaus sollte anhand von konkreten Aufgaben und Meilensteinen Schritt für Schritt eine Lösung für die von den Partnerunternehmen eingebrachten Probleme erarbeitet werden. Dazu wurden Techniken und Ansätze aus Design Thinking, Design Sprints und Lean Startup verwenden.

Das Ergebnis: In Zusammenarbeit mit der Digitalen Agenda wurde ein Kurs entwickelt, der die Themen Problem- und Zielgruppenanalyse, Kreativitätstechniken, Prototyping und Pitching abdeckt. 30 Schüler:innen des Aicher-Scholl-Kollegs arbeiteten vier Monate an fünf Fallstudien der Partnerunternehmen. Die Ergebnisse wurden zunächst am lokalen “Demo Day” vorgestellt und schließlich auf der internationalen Abschlusskonferenz den anderen Projektländern präsentiert.

1. Teamfindung: Die eigenen Stärken und Schwächen kennen

Die Frage “Was mache ich gut und gerne?” beschäftigt sicherlich nicht nur junge Menschen. Insbesondere Frauen fällt es oft schwer, ihre “Superkräfte” auch als solche zu erkennen und selbstbewusst zu kommunizieren. Das Entrepreneurship-Training sollte daher auch eine Möglichkeit sein, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken und auszubauen.

Im ersten Termin ging es deshalb darum, welche Eigenschaften die Teilnehmenden mitbringen und welche Rollen sie in Teamarbeiten normalerweise einnehmen. Anhand von innovativen Produktbeispielen wurde erarbeitet, wie wichtig es ist, dass in Teams möglichst vielfältige Kompetenzen und Erfahrungen zusammenkommen. Außerdem wurde darüber gesprochen, wie Eigenschaften je nach Kontext als Stärke oder Schwäche wahrgenommen werden und welche Persönlichkeitstypen sich gerade aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit ergänzen.

Tipps:

Diese Übung ist auch in Teams sinnvoll, die schon länger zusammenarbeiten. Oft wissen die Mitglieder bereits, mit wem sie “gut” oder “schlecht” zusammenarbeiten. Dabei gerät außer Acht, dass die Eigenschaften, die uns an anderen störend erscheinen, unsere größten Schwächen ausgleichen können.

Wer sich damit schwer tut, die eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren, kann den Clifton Strengthsfinder ausprobieren, mit diesem Video zu Persönlichkeitstypen starten oder gute Freund:innen fragen. Nicht vergessen: Solche Tests arbeiten immer mit Kategorien und Modellen und bilden die Persönlichkeit nicht vollständig ab.

2. Die Grundlagen: Wofür und für wen machen wir das?

Im ersten Termin mit den Partnerunternehmen wurde die Fragestellung definiert, die gelöst oder beantwortet werden sollte. Die Teams überlegten sich im Voraus Fragen zur Anforderungs- und Zielgruppenanalyse. In den Briefings wurden Fragen zum Hintergrund, möglichen Rahmenbedingungen, bereits ausprobierten Lösungsansätzen und dem gewünschten Ergebnis beantwortet.

Im nächsten Schritt bekamen die jungen Produktentwickler:innen die Aufgabe, die Zielgruppe kennenzulernen. In User-Interviews sollten sie herauszufinden, ob sich die Aussagen der potentiellen Nutzer:innen mit denen der Unternehmen deckten und an welchen Stellen es Bedarf für Verbesserungen geben könnte.

Als Vorbereitung wurde über Interviewtechniken gesprochen, offene, unvoreingenommene Fragen formuliert und in Kleingruppen aktives Zuhören und Paraphrasieren geübt.

Buchtipps:

  • Interviews: Zum ersten Mal mit der Zielgruppe zu sprechen, fällt erfahrungsgemäß ebenso schwer, wie es wertvolle Erkenntnisse liefert. Das gilt für Studierende ebenso wie für angehende Unternehmer:innen und gestandene Organisationen. Rob Fitzpatrick beschreibt in seinem Buch Der Mom Test leicht verständlich und unterhaltsam Techniken und übliche Fehlerquellen.
  • Zielgruppe definieren: Die Fragen “Wofür und für wen” habe ich aus dem Buch “Der ewige Bestseller” von Ryan Holiday übernommen, welches sich mit Tipps zur Produktentwicklung von Positionierung über Verpackung und Präsentation bis zum Aufbau einer Fangemeinde beschäftigt.

3. Umsetzung: Von der Idee zum Prototyp

Sobald die Aufgabe klar definiert und beschrieben war, konnte mit der Entwicklung von Lösungsvorschlägen begonnen werden. Zunächst sollte eine Vielzahl an Ideen entwickelt werden. Wie realistisch die tatsächliche Umsetzung wäre, sollte fürs Erste ignoriert werden. Dabei halfen Techniken wie “Ja, und…”, Crazy 8’s, Crazy 8’s mit Einschränkungen oder Brainwriting. Mit der Übung “How to Make Toast” wurden die Teilnehmenden dazu ermuntert, Lösungsansätze zu visualisieren.

Die entstandenen Ideen wurden mit Dot-Votings auf 1 bis 2 Ansätze eingegrenzt, die weiterentwickelt wurden. Ziel war es, entweder einen Produkt- oder ein Marketing-Prototypen zu entwickeln, beispielsweise einen Flyer, ein Video oder eine Landingpage. Mit diesem Prototyp wurde Feedback der Zielgruppe und der Partnerunternehmen eingeholt und das Produkt auf Basis der neuen Erkenntnisse verbessert.

Buchtipps:

  • Kreativität: The Art of Possibility und Creative Confidence sind wunderbar inspirierend, A Beautiful Constraint geht darauf ein, wie klare Vorgaben und Einschränkungen zu außergewöhnlichen Lösungen führen können.
  • Prototyping: Lean Startup erklärt, warum Prototyping und Testen wichtig sind, der Design Sprint (Buch und/oder Website) gibt einen Zeitplan und konkrete Techniken vor.

4. Der Pitch: Präsentieren und verkaufen

Der Demo Day stellte den offiziellen Abschluss des Projekts dar, bei dem die Ergebnisse vor den anderen Teams und allen Partnerunternehmen einer Jury präsentiert wurden. Das Gewinner-Team durfte bei der internationalen Abschlusskonferenz erneut präsentieren und gegen die Gewinner:innen der anderen Länder antreten.

Alle Teams glänzten mit kreativen Vorstellungen, bei denen Mini-Szenen mit dem Produkt vorgespielt oder selbst erstellte Verkaufsvideos gezeigt wurden. Allerdings war die Enttäuschung nach der Juryentscheidung bei allen Gruppen groß, die trotz viel Engagement nicht auf dem ersten Platz landeten. Denn alle Teilnehmer:innen hatten sichtlich viel Zeit, Mühe und Kreativität investiert.

Nicht nur auf das Ergebnis schauen

Eine Erkenntnis, die wir deshalb aus dem Prozess gezogen haben, ist, dass nicht nur das Endergebnis einer Gruppe zählen sollte, sondern auch der Weg dorthin und das Engagement honoriert werden sollten. Damit also zum Projektabschluss alle Teams einen Grund zum Feiern haben, lohnt es sich vor allem bei Freizeit- und Bildungsangeboten, auf eine externe Jury zu verzichten. Stattdessen sollten nach dem Pitch alle Teammitglieder eine Urkunde erhalten und die Moderation könnte noch einmal berichten, was an der Arbeitsweise des Teams besonders positiv aufgefallen und hervorhebenswert ist. Während eines anerkennenden Applauses könnte ein Abschlussfoto geschossen werden, so dass danach alle mit einem guten und erfolgreichen Gefühl nach Hause gehen.

Originally published at lenamohr.com on March 5, 2019.

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Lena Mohr

Freelance UX designer, co-founder of Ready to Code, a non-profit for gender equality in tech, and author of bad children’s stories at schlechte-geschichten.de